Die Hofnärrin des Diktators
Von der Propaganda missbraucht.
Vom Publikum geliebt.
Von den Mächtigen verboten.
Alida Hisku mit Annette Piechutta, Biografie, Parzellers Buchverlag, ISBN 978-3-7900-0414-4, 288 Seiten, EUR 17,90
1. Hörfunkbeitrag auf HR4
Den Hörfunkbeitrag des Hessischen Rundfunks, Redakteurin Ina Rumpf, können Sie im folgenden Player starten, stoppen oder die Lautstärke anpassen. Oder aber hier downloaden und speichern.
2. Fernsehauftritt
Die Autorin in einer Talkshow
Alida Hisku war am Freitag, 21. Mai 2010, im WDR-Fernsehen bei Bettina Böttinger im „Kölner Treff“ zu Gast.
3. Der Verlag schreibt über das Buch
Dieses bewegende Buch beschreibt Aufstieg und Fall der albanischen Künstlerin Alida Hisku unter dem totalitären Regime Enver Hoxhas, der eine totale Isolationspolitik gegenüber dem Ausland betrieb, politische Gegner gnadenlos verfolgte und dessen oberstes Ziel die Erhaltung seiner Macht war.
Am Beispiel einer intellektuellen Familie erzählt die Künstlerin, wie drei Generationen mit brutaler Diktatur, staatsverordnetem Atheismus und einer patriarchalisch-archaischen Gesellschaft umgehen. Die Großmutter ist die Seele der Familie, die ihren Halt im heimlich ausgeübten muslimischen Glauben findet. Die Mutter wacht autoritär darüber, dass kein Familienmitglied nach außen von der geltenden Norm abweicht. Der Vater arbeitet zum Schutz der Familie in hoher Position für die Partei. Über seine wahre Überzeugung spricht er nicht öffentlich, wie fast alle Albaner. Die Tochter arbeitet tagsüber in einem Druckerei-Kombinat unter Überfüllung der Normen und gibt in der Freizeit für ihre Mitbürger Konzerte. Schnell zweifelt die Vorzeigegenossin an den Verhältnissen und beginnt unbewusst ein Doppelleben. Um mit ihren seelischen Spannungen fertig zu werden, notiert sie ihre heimlichen Gedanken in ein Tagebuch und führt Zwiesprache mit ihrem Spiegelbild. Dramatisch endet die Karriere Alidas und tragisch verläuft ihr Leben danach …
4. Die Autorin schreibt in einem Vorwort
Ich fühle mich oft wie ein Strauß Schnittblumen, der in einer Vase steht – abgeschnitten, ohne Wurzeln. Damit meine ich nicht nur den Umstand, dass ich meine Heimat verlassen habe. Diese Wurzellosigkeit geht viel weiter, erstreckt sich über viele Bereiche und ist vielleicht der Grund, warum ich mich oft nicht freuen kann. Während für viele Menschen der Begriff Heimat sehr weit dimensioniert ist und diese Menschen in sich selber ruhen, da in ihnen Philosophie, Realität und Visionen in Balance sind, scheint es, als hätten sich in mir einige Wurzeln niemals entfalten können, da ihnen von Anfang an die Nahrung fehlte.
Aufzuwachsen in einer Diktatur heißt, anstelle einer über die Jahrhunderte gereiften Philosophie den verkrüppelten Geist eines propagandagleichen Weltbildes in sich aufzunehmen. Es sättigt vielleicht, aber es nährt nicht. Solange du etwas nicht kennst, vermisst du es nicht. Du spürst vielleicht die Nähe eines Abgrunds, erahnst, wie tief er ist. Die wahre Tiefe jedoch wird dir erst dann bewusst, wenn du ein anderes (politisches) System kennenlernst und merkst, welche Wissens-Dimensionen dir vorenthalten wurden. Da, wo Wissen für viele Menschen eine Heimat bildet, gähnt in mir ein tiefes, schmerzendes Loch.
5. Pesseartikel Buchbesprechung
Passauer Neue Presse vom 29. Juni 2010, Kulturseite
Missbraucht von der Propaganda
Niemand wusste bis vor kurzem, wer sie wirklich ist. Niemand ahnte bei der emsigen kleinen Frau, die sich in Hotels als Putzfrau verdingte, dass sie in ihrem Heimatland eine berühmte Sängerin war. Und sie selbst hatte es fast vergessen! Was war passiert? Mit 24 Jahren fällt Alida bei Enver Hoxha, der sein Land von der Außenwelt völlig isoliert und von einem „neuen Menschen“ träumt, in Ungnade, wird eingesperrt, gefoltert und acht Jahre unter Hausarrest gestellt. Als der Ostblock beginnt auseinanderzufallen, gelingt ihr mit ihren Söhnen die Flucht nach Deutschland. Drei Jahre lebt sie in einem Asylantenheim in Geisa, an der hessisch-thüringischen Grenze. Als sie abgeschoben werden soll, taucht sie unter, arbeitet in einem Hotel, geht eine Scheinehe ein. Die gebildete Frau, die in Albanien studiert hat, tut alles, um ihren beiden Söhnen ein Leben in Freiheit zu ermöglichen. Erst jetzt, mit 53 Jahren, kann sie über ihre Vergangenheit reden und hat mit Annette Piechutta ihr Leben zu Papier gebracht. „Ich fühle mich oft wie ein Strauß Schnittblumen, der in einer Vase steht – abgeschnitten, ohne Wurzeln.“ So beginnt ihre bewegende Lebensgeschichte.
6. Presseartikel Buchvorstellung
Fuldaer Zeitung vom 27. Oktober 2009. Redakteurin: Victoria Bott
Die Suche nach dem Ich
Alida Hisku hat ein Buch über ihre albanische Vergangenheit veröffentlicht
„Ich fühle mich oft wie ein Strauß Schnittblumen, der in einer Vase steht – abgeschnitten, ohne Wurzeln.“ Das ist der erste Satz des Buches „Die Hofnärrin des Diktators“, in dem die Geschichte der albanischen Künstlerin Alida Hisku erzählt wird. Heute lebt die 52-Jährige in Fulda. Verfasst wurde ihre Biografie von der Petersberger Ghostwriterin Annette Piechutta.
Auf bewegende Weise beschreibt die 57-Jährige den Aufstieg und Fall von Alida Hisku. Als junge Sängerin wird sie zum Aushängeschild Albaniens. Doch im Laufe der Zeit wachsen ihre Zweifel am sozialistischen System und dem totalitären Regime in ihrem Land. Als das Tagebuch der einstigen Vorzeigegenossin gefunden wird, in das sie kritische Gedanken notiert hat, wird sie denunziert und verhaftet. „Auf dem Höhepunkt meiner Karriere wurde mir der Stecker gezogen, und ich bin in ein tiefes Loch gefallen“, erzählt Alida Hisku.
Mit gerade mal 24 Jahren gilt sie als Verräterin, landet in Einzelhaft, in der Psychiatrie und steht später unter Hausarrest. Ihre Familie, Nachbarn und Freunde wenden sich von ihr ab. Acht Jahre dauert die Tortur. 1989 nutzt sie die Öffnung des Ostblocks, flüchtet mit ihren Kindern nach Deutschland und beantragt Asyl. Nach einer Zweckehe, um nicht abgeschoben zu werden, heiratet sie Ehemann Thomas, mit dem sie heute in Fulda lebt.
Lange hat die 52-Jährige über ihre schreckliche Vergangenheit geschwiegen. Vor einigen Jahren konnte Alida Hisku nicht mehr anders und brach ihr Schweigen. „Ich war unglücklich und habe mich gefragt, wer ich eigentlich bin? In den vergangenen Jahren habe ich viel verdrängt, um überleben zu können.“
Über einen Artikel in der Fuldaer Zeitung ist die Künstlerin auf Annette Piechutta aufmerksam geworden. „Ich habe sie gesehen und gedacht: Ich brauche sie, um mit ihr ein Buch über mein Leben zu schreiben und mich damit wieder selbst zu finden.“ In Albanien gehörte sie zu einer intellektuellen Familie, sie war erfolgreich, hatte studiert – in Deutschland arbeitete sie als Putzfrau, Küchenhilfe und Zimmermädchen. „Ich wollte keinen Lappen mehr in die Hand nehmen, sondern in meinem Leben etwas ändern.“
Und tatsächlich, die Arbeit an dem Buch war für sie eine Therapie. „Annette war nicht nur meine Ghostwriterin, sondern auch Psychologin.“ Vor etwa drei Jahren haben sich die Frauen zum ersten Mal getroffen und sich seitdem regelmäßig verabredet. Alida Hisku hat aus ihrem Leben erzählt, Annette Piechutta darüber geschrieben. „Manchmal tat es weh“, sagt die 52-Jährige über die Gespräche. Vier Mal mussten sie die Treffen abbrechen.
Die Arbeit an dem Buch hat Alida Hisku verändert. „Meine Hoffnung ist wieder da. Ich habe Power und Energie, um nach vorne zu schauen.“ Beide Frauen verfolgen mit dem Buch ein besonderes Anliegen, wie Annette Piechutta erkärt. „Das Schicksal von Alida soll zeigen, welches Potenzial in Migranten liegt. Wie bei Alida werden Ausländer oft in eine Schublade gesteckt, aber ihre Geschichte wird nicht hinterfragt.“
7. Lesermeinungen
Fesselnde Geschichte
Das Schicksal von Alida Hisku hat mich von der ersten bis zur letzten Seite in seinen Bann gezogen. Wie herrlich ist es, in einem Land zu leben, in dem man seine Meinung frei äußern kann! Albanien zur Zeit Hoxhas bietet diese Freiheit nicht, außerdem ist die Frau dem Mann auf erniedrigende Weise untergeordnet. Eben noch der umjubelte Star, privilegiert ins Ausland reisen zu dürfen, dann verhaftet und quasi für tot erklärt. Alida Hisku schildert ihr Leben als albanische Sängerin sehr eindrucksvoll und man leidet einfach mit. Mich beeindrucken solche Lebensgeschichten immer wieder, vor allem wenn Kinder zum Spielball zwischen den Fronten werden. Die Co-Autorin Annette Piechutta hat eine wunderbare Sprache gefunden, das Schicksal der Sängerin so darzustellen, dass man traurig wird, weil das Buch zu Ende ist.
Hut ab vor dem Mut dieser Frau
Alida will nur singen und damit die Herzen der Menschen erreichen. In der albanischen Sprache gibt es kein Wort für Neid, und doch gedeihen Neid und Missgunst in totalitären Staaten besonders gut, so auch im Albanien jener Zeit. Eine Denunziation nimmt Alida alles, was sie liebt. Wie sie mit dieser Last ihr Schicksal meistert und sich die Freiheit und ein wenig auch den Gesang zurückerobert, hat die Autorin und Ghostwriterin Annette Piechutta in berührende, einfühlsame Worte gefasst. Überaus lesenswert. Ein interessantes und ergreifendes Buch über eine mutige Frau und ein Land, von dem man eigentlich wenig weiß.
Eine wahre Geschichte, die betroffen macht
Es ist verblüffend, mit welchem Mut und welcher Entschlossenheit diese Frau ihren Weg geht. Nachdem Alida die zynischen Spielregeln der Politik, und damit der albanischen Gesellschaft, begriffen hat, versucht sie auf ihre Weise dazu beizutragen, das System menschlicher zu machen. Unversehens gerät sie damit selber in den Fokus eines paranoiden Überwachungsstaates, der alles vernichtet, was eine Gefahr für ihn zu sein scheint. Das Buch ist aber weit mehr als nur eine Abrechnung mit einem unbarmherzigen Staat, es beschreibt, wie schnell ein Künstler zum Spielball der gesellschaftlichen Kräfte wird und damit immer in Gefahr ist, seine Eigenständigkeit zu verlieren. Wo Ruhm lockt, droht immer Abhängigkeit. Alidas Geschichte könnte zum Teil auch heute, in unserer Zeit, geschehen. Wo Castingshows mit Ruhm, Geld und Ehre locken, lauert in Wirklichkeit eine Vergnügungsindustrie, die nur den Profit will, und für die der Wert des Künstlers nur monetär ist. Schon viele Künstler haben dies mit ihrem Leben bezahlt. Empfehlenswert für alle, die ungeschönte Geschichten lieben.