Der Tiger zwischen den Seidenhemden.

Leben mit Angststörungen

Martin Otto mit Annette Piechutta, autobiografischer Roman, Schardt Verlag, ISBN 3-89841-266-0, 189 Seiten, EUR 12,90

Vorwort Prof. Dr. med. B. Bogerts, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosom. Med. an der Univ. Magdeburg.

1. Vorwort von Professor Dr. med. B. Bogerts

Beeinträchtigungen durch starke, nicht mehr kontrollierbare Angstzustände stellen weltweit die häufigsten psychischen Störungen überhaupt dar. Angstsymptome und die damit häufig einhergehenden körperlichen Begleiterscheinungen wie Herzrasen, Atemnot, Schweißausbruch, Schwächegefühl im Körper verbunden mit dem Gefühl zu sterben, sind Angehörigen, Freunden und Betroffenen selbst oft unerklärbar; Umstehende reagieren verständnislos. Selbst viele Psychologen und Ärzte sind unzureichend mit der Symptomatik vertraut, ordnen die mitunter dramatische Symptomatik solcher Patienten diagnostisch falsch ein. Wie alle psychischen Störungen, so sind auch Angsterkrankungen einer immer noch ausgeprägten Stigmatisierung ausgesetzt. Die Patienten werden auch heute noch nicht selten als „verrückt“ ausgegrenzt, weshalb sie ihre Problematik verheimlichen. Dabei haben Angstkranke keinerlei Beeinträchtigungen von Intelligenz und Auffassungsgabe. Sie beobachten ihre Umwelt vielfach wacher und urteilssicherer als der Durchschnittsmensch.
Als Betroffener schildert Martin Otto in seinem Buch „Der Tiger zwischen den Seidenhemden“ in äußerst anschaulicher und geistreicher Form, wie sich die Angst aus frühen kindlichen Erlebnissen her entwickelte, bei einer ähnlichen Symptomatik seines Vaters und einer angstfördernden Mentalität von Großmutter und Mutter. Die Entwicklung von Angstanfällen, der Kampf gegen das im Innersten der Emotionen immer wieder angreifende Ungetüm der Angst, die vielfältigen Situationen, in denen dieser „Tiger“ attackiert, Siege und Niederlagen wie auch Erfahrungen in Kliniken und Therapien werden vor dem Hintergrund der sozialen und politischen Gegebenheiten von dem 40-Jährigen Autor in Form der biografischen Eigenanalyse brillant und äußerst informativ dargestellt.
Bei der Lektüre des unterhaltsamen Buches wird klar, was Angst für die Betroffenen bedeutet, wie sie erlebt wird, wie man mit ihr umgehen kann und dabei durchaus zu einer erfolgreichen Lebensführung fähig bleibt. Den Erkenntnissen, die den Betroffenen durch das Buch vermittelt werden, kann auch aus fachärztlicher Sicht eine erhebliche therapeutische Wirksamkeit durch besseres Krankheitsverständnis zugesprochen werden.

2. Presseartikel Buchvorstellung

Fuldaer Zeitung vom 19. Dezember 2006
Den Tiger in Schach halten
Buch über Angststörungen

FULDA (bx) – Es gibt Menschen, die haben den Tiger im Tank. Martin Otto hat ihn im Kleiderschrank. Zwischen der Wäsche kann die Raubkatze lauern, auch anderswo sind unliebsame Begegnungen möglich. Wer jetzt denkt, dieser Mann sei mit dem Halten eines gefährlichen Haustieres überfordert, der irrt. Der Tiger ist die Angst, die den etwa 40-Jährigen immer wieder anspringt, die ihn aus jeder Sicherheit reißen kann. Martin Otto, der sonst anders genannt wird, würde viel darum geben, wenn es mit einem kernigen „Jetzt nimm dich zusammen!“ getan wäre. Aber die Angststörungen begleiten ihn durch sein Leben, zu dem er mit Autorin Annette Piechutta einen autobiografischen Roman geschrieben hat. Schon der Titel „Der Tiger zwischen den Seidenhemden“ lässt ahnen: Trotz der ernsten Schwierigkeiten des bei Fulda und in Magdeburg lebenden Protagonisten ist das Buch unterhaltsam, stellenweise heiter.
Dabei beginnt die Angst schon im ersten Kapitel: Die Großmutter will Klein-Martin möglichst von allen Lebensrisiken abschirmen, mahnt ihn zur Übervorsicht und hält ihm die Erfahrungen Rotkäppchens mit dem Wolf vor Augen. Später fürchtet sich der Jugendliche auch ohne Märchen in der Schule, vor Prüfungen oder der Tatsache, täglich im Beruf funktionieren zu müssen. Er versucht sich unter anderem als Tankwart, Zimmermann, Betonbauer, Fließbandarbeiter, Banker und Karatelehrer, Reisen ins Ausland bricht er meist früher oder später ab, was zu Stress mit seinen Begleiterinnen und Begleitern führt. Es dauert lange, bis Ottos anfallartige Beschwerden und Beklemmungen als Panikattacken erkannt werden. Therapie-Erfahrungen bestärken ihn im Wissen, dass er den Tiger der Angst nicht verbannen kann. Der Ehemann und zweifache Vater muss immer neu versuchen, ihn in Schach zu halten, möglichst sogar zu bändigen.
Das geschilderte Stück Leben ist kein Heldenepos, Martin Otto nicht Superman. Aber der heutige Kunsthändler und Galerist hat gelernt, Auswege bereit zu haben, wenn die Angst ihn in die Enge treibt. Die Notwendigkeit, auch Unerträgliches zu ertragen, hat ihn findig gemacht. Zudem bleibt er cool, wenn er in Ausnahmesituationen lieben Menschen beistehen muss. Das Buch ist sehr empfehlenswert gerade für diejenigen, die sich ebenfalls einer Angst-Problematik stellen müssen. Generell ermutigt das gelungene Gemeinschaftswerk Menschen, die es mit sich selbst und anderen oft nicht leicht haben, den Kampf gegen den Tiger als Teil eines trotzdem lebenswerten Lebens zu akzeptieren.

3. Lesermeinungen

Einfach gut, einfach mitreißend
Ich konnte nicht anders, musste alles andere zur Seite legen und diesen Roman zügig durchlesen. Er ist so gut geschrieben, dass ich mich in manchen Situationen fühlte, als wäre ich mittendrin im Geschehen und das Herz klopfte laut. Der Autor hat vielen Menschen aus der Seele gesprochen und anderen, die nichts von dieser Krankheit wissen oder sich bisher nicht damit auseinander gesetzt haben, ins Grübeln gebracht. Vielleicht denken sie an jemanden, der direkt nebenan sitzt und auch ein Stichwort wie „Angst“ braucht, um sich zu öffnen. Ohne „Wenn und Aber“ ist diese Lebensgeschichte ein wichtiges Dokument für Betroffene und Nichtbetroffene. Danke lieber Autor!

Realistisch erzählte Geschichte
Dieses Buch liest sich schnell, flüssig und abwechslungsreich und spiegelt ein sehr interessantes und dramatisches Leben wider. Das offene Ende lässt auf eine Fortsetzung hoffen. Nach den vielen Ratgebern, die ich bisher gelesen habe, vermittelt diese autobiografisch erzählte Geschichte eine andere Sicht auf die Dinge.

Lebendige Lebensgeschichte
Die letzte Seite ist gelesen. Es hat mich sehr bewegt. Wir können uns viel vorstellen, doch ich weiß, die Wirklichkeit hat ein anderes Gesicht. Leicht und locker zu lesen und doch mit großer Spannung festgehalten. Dieses Buch hat einen Anfang, doch kein wirkliches Ende. Eine sehr weite Reise ist geschafft. Es ist wie es ist und daran ist nichts zu ändern. Danke für diese Lebensgeschichte, die so lebendig ist.

Absolut lesenswert auch für Nichtbetroffene
Ich bewundere den Mut des Verfassers, mit seinen Angststörungen an die Öffentlichkeit zu gehen, um anderen zu helfen. Wie wichtig solche Bücher für Betroffene sind, weiß ich aus der Erfahrung mit der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung meines Mannes, die lange Zeit als Angststörung diagnostiziert wurde. Trotz der sehr schwierigen Problematik habe ich das Buch wie einen spannenden Unterhaltungsroman gelesen. Es ist leicht, elegant und humorvoll geschrieben. Ich wünsche ihm viele Leser (Zum Weinen ist die Zeit zu schade).

Sehr authentisch
Der Tiger zwischen den Seidenhemden ist ein empfehlenswerter autobiografischer Roman, den ich in einem Zuge gelesen habe. Ich war gefesselt von der Lebensgeschichte des Protagonisten sowie von der bildreichen Sprache, in der das Buch geschrieben ist. Ich konnte mich anhand der detaillierten Schilderungen und der damit transportierten Emotionen gut in die Lage des Martin Otto hineinversetzen. Bemerkenswert ist für mich, wie es immer wieder Menschen schaffen, mit solch einer Krankheit ihr Leben und den damit verbundenen Alltag zu bewältigen. Ich habe wieder einmal mehr eine psychologische Einsicht auf unterhaltsame Weise bekommen, durch ein Buch, das sich flüssig liest und mich zum nachdenken gebracht hat.
Ich glaube, dass jeder Angehörige jetzt mehr Verständnis für solch eine Krankheit aufbringen kann, insofern dieses Buch gelesen wurde. Meinen Respekt an die Co-Autorin und dass Martin Otto uns an seinem bewegten Leben teilhaben lässt!
Mein Fazit: Einfach nur gelungen und authentisch. Ich kann dieses Buch jedem nur ans Herz legen.

Gutes Buch
Das ist ein ausgesprochen gutes Buch, vor allem für Leute, die nicht betroffen sind und somit einen gut beschriebenen Einblick bekommen. Ich bin normalerweise kein Mensch, der sich mit Rezensionen aufhält (…), doch ich kann das Buch nur empfehlen, wie es auch schon Professor Dr. B. Bogerts von der Medizinischen Universität Magdeburg bestätigt.

Endlich mal kein schlauer Ratgeber
Dieses Buch trifft genau das Thema. Keine super schlauen Ratschläge, sondern so geschrieben wie es wirklich ist.

Ein Leben mit Angst- und Panikstörungen
Ein sehr lehrreiches, spannendes und gelungenes Buch aus dem Leben eines Angst- und Panikpatienten. Bis ins kleinste Detail beschrieben und geschildert. Sehr zu empfehlen für Betroffene, die nicht mehr weiter wissen, sogleich aber auch für Familienangehörige, die große Probleme damit haben. Mir persönlich hat dieses Buch sehr viel Mut gemacht und Kraft gegeben, die es mir ermöglicht, mein Leben weiterhin zu meistern, wovon ich immer wieder glaubte, es nicht mehr zu können.

Eine sehr gelungene Autobiografie über ein Leben mit Angststörungen
Der Tiger zwischen den Seidenhemden ist ein tolles Buch, ein Erfahrungsbericht – wirklich gut erzählt, aus dem Alltag eines Betroffenen ohne Mitleid, amüsant und traurig zugleich und auf erfrischende Weise, ohne lehrerhaft anmutende Ratschläge geschrieben. Ein Buch, das nachdenklich macht und sehr zu empfehlen ist für Menschen, die mit Angsterkrankten zusammen leben. Der ausgefallene Ratgeber am Ende des Buches ist sehr lehrreich und beschreibt mit einem Wort ganz zum Schluss, was man tun kann (oder auch nicht) an der Seite von Angsthasen. Ich bin begeistert und kann dieses Buch nur sehr empfehlen (auch und gerade als Selbstbetroffene)!!!

Ein besonderes Buch
Meine Tochter versorgt mich mit Literatur und manchmal bitte ich sie, wenn das Buch besonders lesenswert war, eine Rezension zu schreiben. Der Tiger zwischen den Seidenhemden gehört zu den ganz besonders lesenswerten Büchern, weil es der Autor Martin Otto und seine Co-Autorin Annette Piechutta verstehen, nicht nur zu unterhalten, sondern auch höchst amüsante Weise den Leser mit einem außergewöhnlichen Leben zu konfrontieren, denn der Protagonist leidet unter Angst- und Panikattacken. Ich musste oft schmunzeln, das gebe ich zu, aber das war seitens der Autoren wohl beabsichtigt. Hochachtung für den Autor, der sich mit diesem Buch einer Öffentlichkeit stellt.